Timm Ulrichs (*1940 Berlin, lebt und arbeitet in Hannover, Berlin und Münster): Erdachse, M. 1:1.000.000 (1979/1999 aufgestellt)
Schwarzer Gabbro Granit, Simbabwe, [Säule], 50 cm Durchmesser, bzw. Granit Balmoral [Scheibe], 30 cm x 250 cm.
10 t schwer.
Die Länge der Säule, 1271,35 cm,
entspricht dem Durchmesser der Erde vom Nord- zum Südpol im Maßstab 1 : 1 000 000.
Sie ist so in einem Winkel zur Horizontalen aufgestellt,
dass sie parallel zur Erdachse verläuft,
d.h. ihr Steigungswinkel entspricht der geographischen Breite des Aufstellungsorts: 52.1° nördlicher Breite.
Die Scheibe ist mithin parallel zur Äquatorebene ausgerichtet.
Die Scheibe dient auch als Ziffernblatt,
denn die Skulptur dreht sich einmal am Tag um die eigene Achse,
angetrieben durch einen funkgesteuerte Elektromotor.
Fertigung: Kusser Aicha Granitwerke, Aicha vorm Wald.
Auftrag der Philipp Holzmann AG,
die 1999 ihr 150-jähriges Firmenjubiläum feierte
und das City Carré Magdeburg übergab.
Standort: zwischen Hauptbahnhof und City Carré.
Mehr: Kusser Granitwerke GmbH,
Aicha vorm Wald
Ulrichs ist Konzept- und Performance-Künstler. Er bezeichnet sich selbst als ‚Totalkünstler' und scheint darunter den Anspruch zu verstehen, den Kunstbegriff ebenso regelmäßig wie radikal auszuweiten und systematisch Gattungsgrenzen auszumachen, um sie zu überschreiten. Er stellte sich selbst in einem Glaskasten als „lebendes Kunstwerk“ aus, ließ sich 1981 nackig in einem riesigen Findling 10 Stunden lang einschließen und die Worte „The End“ auf's Augenlid tätowieren. Ulrichs hatte 1969 - 70 eine Gastprofessur an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste Braunschweig inne, von 1972 bis 2005 eine Professur für Bildhauerei und Totalkunst an der Staatlichen Akademie Münster. 1977 nahm er an der documenta 6 in Kassel teil. Europaweit wurden Ulrichs Einzelausstellungen gewidmet, zahlreiche Preise wurden ihm zuteil.
Bildnerischer Mittel setzt er gerne ein, um die Sehgewohnheiten des Betrachters zu befragen (wie etwa bei Versunkenes Dorf), eine Standortbestimmung einzufordern (wie etwa bei Erdachse) oder seine Erwartungshaltung zu enttäuschen. Bei seinen Tanzenden Bäumen 2008 im Kurpark Bad Homburg (anlässlich der Blickachsen 7) etwa fingen drei motorbetriebene Birken plötzlich an, sich wie wertvolle Ausstellungsstücke zu drehen, sobald der Spaziergänger sich ihnen näherte. Was zunächst wie ein Gag daherkommt, offenbart sich bei wiederholter Betrachtung nicht selten als kritisches Statement - wie bei Versatzstück. Ulrichs spielt mit Sprache, Sinnbildern und Mehrdeutigkeiten. In Hannover beispielsweise pflasterte er einen Weg mit seinem Kopf: Kopfsteinpflaster, in Nürnberg applizierte er eine Baum-Krone. Auch zur zeitgenössischen konkreten Poesie lieferte Ulrichs Beiträge, man vergleiche etwa das Werk Umraum in Essen. 2012 wurde Ulrichs in die Stiftung für Konkrete Kunst und Design, Ingolstadt, aufgenommen.
[Foto: mit freundlicher Erlaubnis © 10/2005 Hans-Peter Lippert, kukma.net.
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