SkulpTour Nürnberg

Heiligers 'Großer Phönix I' wurde zwar schon vorher aufgestellt. Die Wende in der "Geschichte" der modernen Kunst im öffentlichen Raum von Nürnberg schreibt jedoch das Jahr 1971, als der Nürnberger Galerist und Künstlerpinsel-Fabrikant Hansfried Defet - eine Idee Karl Prantls aufgreifend - ein Bildhauersymposium in der Stadt initiierte, das »Symposion Urbanum«. Den Anlass gab der 500. Geburtstag Albrecht Dürers. Den für die Organisation gegründeten Zweckverein unterstützten namhafte Architekten, Industrielle und Bürger der Stadt. Eine beachtliche Zahl der heute im öffentlichen Raum Nürnbergs zu findenden modernen Kunstwerke geht auf diese Initiative zurück - wenn auch einige in der Zwischenzeit an neue Standorte versetzt wurden. Die Auswahl der Künstler, der Weitblick der Organisatoren überrascht selbst heute noch. 29 Künstler (unter rund 700 Bewerbern) aus der ganzen Welt waren eingeladen worden, ihre Arbeiten vor Ort herzustellen und die Öffentlichkeit am Entstehungsprozess teilhaben zu lassen. Selbstverständlich sorgte die avantgardistische Freilicht-Ausstellung damals (wie andernorts auch) für Aufschrei und Entrüstung...

Ein herrlicher Ausgangs- oder Endpunkt für einen Kunstspaziergang durch die Stadt ist der Skulpturengarten an der mittelalterlichen Stadtmauer (Frauentormauer, zwischen Sterntor und Frauentor) nur wenige Schritte vom Neuen Museum entfernt. Die Stifter - darunter Marianne und Hansfried Defet, Dr. Gustl Drechsler sowie die Museumsinitiative e. V. - entschieden sich 2004, ihre Kunstwerke aus dem privaten Garten zu holen, der Stadt zu stiften und damit der breiten Bevölkerung zugänglich zu machen. Größtenteils konnten die Arbeiten von den Künstlern selbst installiert werden. Zwischen herrlichem alten Baumbestand entwickeln die Kunstwerke Präsenz und Unmittelbarkeit. Besonders zum Ausdruck kommt im Ensemble die Vielfalt moderner künstlerischer Positionen.

Eine Reihe skulpturaler Denkmale - von Joachim Bandau, Dani Karavan und Karl Prantl - verdient besondere Beachtung. Die Denkmale setzen sich mit der Bedeutung der Stadt während des 3. Reichs bzw. des 2. Weltkriegs auseinander. Mit Nürnberg sind schließlich nicht nur die nationalsozialistischen Rassegesetze und die Reichsparteitage untrennbar verbunden, sondern ebenso die Nürnberger Prozesse, bei denen erstmals Kriegsverbrecher vor ein internationales Gericht gestellt wurden.

Aus der Vogelperspektive besonders gut zu erkennen ist z.B. der Stahlkubus H 183 (1970) von Alf Lechner im Westpark oder das Paar (1987) von Klaus Schultze auf dem Langwassersee (→ auf Satellitenbild umschalten).

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Danksagung

Wir danken Hans-Friedrich Defet vom Atelier- und Galeriehaus Defet, Norbert Heinlein vom Hochbauamt der Stadt Nürnberg sowie den Künstlern Herbert Mehler und Bernd Klötzer für ihre Unterstützung bei der Recherche der Informationen zu einzelnen Kunstwerken. Die meisten "technischen" Informationen zu den Kunstwerken stützen sich auf die Literatur von Amelie Himmel bzw. von Elke Masa. Herzlichen Dank auch an Harald Windisch und Andreas Praefcke, die viele Fotos beisteuerten!

Tipp

Besuchen Sie auch den Skulpturenpark im Großen Klosterhof des Germanischen Nationalmuseums. U.a. sind hier bedeutende Werke von Brigitte Matschinsky-Denninghoff und Martin Matschinsky, Fritz Koenig, Erich Hauser und Karl Hartung zu finden (Fotostrecke).

Mitmachen!

Ihnen gefällt die Idee, hier mit Fotos Appetit zu machen auf einen Kunstspaziergang zu den modernen Skulpturen im Stadtbild von Nürnberg? Dann unterstützen Sie dieses Projekt! Skulpturen, von denen hier noch Fotos fehlen, sind u.a. die folgenden:

• Hiromi Akiyama: Ohne Titel (1971). Weißer Granit, 235 x 365 x 210 cm. Standort: Dr. Carlo-Schmid-Str. 200, Nürnberg Mehr: [ nuernberg.de ]
• Nicola Carrino (*1932 Taranto †2018 Rom): Costruttivo 2/71 (1971). Edelstahl. Anlässlich des Symposion Urbanum. Standort: Grundschule Maiacher Straße. In der Serie der „Costruttivi“, die er ab 1969 entwickelte, interessierte sich Carrino für die kombinatorischen Möglichkeiten von aus Modulen aufgebauten Skulpturen: die Schüler*innen sollten die Module immer wieder neu arrangieren können. Zudem erinnert die Trapezform an die Nürnberger Fachwerktradition.
• Leo Kornbrust: o.T. (1971). Anlässlich des Symposion Urbanum. Waldsteingranit, 220 x 200 x 350 cm. Standort: Lange Gasse, Universität Erlangen-Nürnberg, Sozialwissenschaftliches Institut (seit 1977), vordem Gustav-Adolf-Str. [Masa 99] Geo-Koordinaten: 49.45867822460203, 11.08465924859047
• George Rickey: Six Random Lines Excentric (1992-1993) Edelstahl, 860cm hoch, ca 950 cm Durchmesser. Standort: zwischen Arbeitsamt und Schauspielhaus, Richard-Wagner-Platz (seit 2009 Baustelle) [Foto]
• Hein Sinken: Windspiele (1971). VZA-Stahl, Durchmesser der Kugeln: 70 cm. anlässlich des Symposion Urbanum. Standort: Südufer des Wöhrder Sees, zwischen Konrad-Adenauer-Brücke und Noriker Str. [Windspiel am See-Ufer, Nürnberger Nachrichten, 9.5.2012, mit Foto]
• Maciej Szankowski (*1938 Wola Libertowska/Polen): Hommage à Albrecht Dürer (1971). Stahlblech, gewalzt, 580cm hoch. Ursprünglich ohne Titel, "ein freies Spiel der Formen und Flächen" [Maciej Szankowski] Im Rahmen des Symposium Urbanum 1971. «Dürer benutzte die Linie nicht, um Volumen und Präsenz eines Gegenstandes zu simulieren (...), sondern die Linie ist bei Dürer zwischen Schrift und Ranke angesiedelt und ergibt scheinbar zufällig eine Figur.» [Amelie Himmel] Standort: Neutorgraben Geo-Koordinaten: 49.45600286454336, 11.070739924907684
• Günter Tollmann: Ohne Titel (1971). Kinetische Plastik, V2A-Stahl, 400 cm hoch. Standort: Grundschule, Zugspitzstr.

Literaturhinweis & Linktipps

• Amelie Himmel: Moderne Skulptur in Nürnberg. Thomas Specht Verlag, 2., erw. u. überarb. Auflage, 2006 [Paperback, 14.5 x 20.5 cm, 170 Seiten, 72 Schwarz-Weiß-Abbildungen] [Ein wunderbarer - leider 2013 bereits vergriffener - Führer, der 27 ausgewählte Kunstwerke bespricht von Bernhard Heiligers 'Phoenix' von 1961 bis Meide Büdels 'Skulptur o.T.' von 2005. Ohne den kunsthistorischen Pathos, den man sonst oft trifft, beschreibt Himmel - vom Kunstwerk ausgehend - allgemeinverständlich den Ansatz des Künstlers und wie er sich im konkreten Werk niedergeschlagen hat. Eine Vorstellung (mit Fotos) weiterer Werke eines jeden Künstlers, Zitate, eine Kurzbiographie sowie Literaturhinweise lassen Kunst und Künstler lebendig werden. Ein Lesebuch, das Lust macht, sich auf moderne Kunst einzulassen, ein Einführung in die Skulptur, die zum unmittelbaren Kontakt vor Ort einlädt. Im Nachwort geht Himmel auf Ziele von Kunst im öffentlichen Raum ein. Am Schluss einer Diskussion über Zerstörung an und von Kunst im öffentlichen Raum steht für sie, dass Information und Wissen Bedingung sind, um Wert und Bedeutung eines (modernen) Kunstwerks reflektieren zu können. Unbedingte Empfehlung für jeden Kunstspaziergänger in Nürnberg!]
• Elke Masa: Freiplastiken in Nürnberg: Plastik, Denkmale und Brunnen im öffentlichen Raum der Stadt. Herausgegeben vom Hochbauamt der Stadt Nürnberg. Verlag: Philipp Schmidt, Neustadt / Aisch, 1994. [Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Gebunden, 495 Seiten, ca. 450 sw und 16 farbige Abb., 18 Lagepläne] [Buchbesprechung]


• 40 Jahre Symposion Urbanum - umfangreiche Dokumentation, zusammengestellt vom Baureferat der Stadt Nürnberg. Als die Kunst ganz Nürnberg empörte - Vom Ärgernis zum Stadtmobiliar – 40 Jahre nach dem "Symposion Urbanum", Nürnberger Zeitung, 18.05.2011, inklusive einer Fotostrecke mit z.T. historischen Aufnahmen. Ein Friedhof für ungeliebte Kunst? Diskussion zum Symposion Urbanum, Nürnberger Zeitung, 20.05.2011


• Skulpturengarten Frauentormauer (Neues Museum)