SkulpTour Main-Metropole

Ewerdt Hilgemann (*1938 Witten/Ruhr, lebt und arbeitet
seit 1970 in Gorinchem und Amsterdam):   Tanz der drei Grazien (2011)

Edelstahl, je 600 x 100 x 100 cm.
Hilgemann hatte mit seinen „Implosionen" eine Ausschreibung der Messer-Gruppe, die u.a. Industriegase und medizinische Gase produziert, gewonnen. Standort: Adolf-Messer-Forum, Messer-Platz 1, Bad Soden

»Das implodierte Endwerk repräsentiert das Zufallsprodukt eines physikalischen Vorganges und thematisiert gleichzeitig Schönheit und Einzigartigkeit des geometrisch Unperfekten.«
[Galerie Neher]

»Kunst muss eine irrationale Qualität haben,
wie rational auch die Methoden sein mögen,
um sie hervorzubringen.«
[Ewerdt Hilgemann]

Hilgemann, als „Luftschmied" bekannt, pumpt mit Hilfe einer Hochleistungsvakuumpumpe aus luftdicht verschweißten Edelstahlhohlkörpern nach und nach die Luft im Innenraum ab. Der atmosphärische Luftdruck staucht und faltet den Hohlkörper während dieses Prozesses zusammen: er „implodiert". Die wirkenden Kräfte zerstören die reine, raumgeometrische Form, gleichzeitig lassen sie ein freies Spiel aus Einbeulungen, Faltenwürfen und Knicken entstehen, welches wiederum auf der Edelstahlhaut die verschiedensten Lichtreflexe und Helligkeitsschattierungen hervorruft. Die Skulptur, ihre Form, ihr Ausdruck und ihre Wirkung sind mithin zu gleichen Anteilen bestimmt durch den Ausgangskörper, den Hilgemann vorgibt, wie auch durch den Zufall, i.e. durch die Unwägbarkeiten des Pumpvorgangs.

»Ich entziehe die Luft und hauche damit Leben ein.«
[Ewerdt Hilgemann]

Hilgemann studierte in Münster und Saarland. In den 1960er und 1970er Jahren arbeitete er seriell-minimalistisch und abstrakt-geometrisch in Polyester, Stahl und Holz. 1970 zog er nach Gorinchem / Niederlande. Von 1974 bis 1989 war Hilgemann Mitglied der Künstlergruppe internationaler arbeitskreis für konstruktive gestaltung. Von 1975 bis 1984 hatte er auch ein Atelier in Carrara. 1982 rollte er in den Steinbrüchen von Carrara einen polierten Marmorkubus eine Bruchhalde hinab - abgesehen von Kratzern und beschlagenen Ecken und Kanten blieb der Würfel intakt. In ähnlichen Kunstaktionen ließ er 1983 etwa eine Kugel aus Carrara-Marmor mit einem Meter Durchmesser gezielt explodieren oder stieß auf dem Oost-West Forum, Dordrecht, einen geschweißten Stahlkubus vom Dach eines Hochhauses. 1984 entstanden erste Implosionen. Von 1977 bis 1998 war Hilgemann Dozent an der Willem de Kooning Academie in Rotterdam.

Zu den weiteren Arbeiten von Hilgemann, die in Deutschland im öffentlichen Raum aufgestellt sind, zählen u.a. Imploded Pyramid (1986), Kunststraße Rhön, Imploded pyramid im Grugapark, Essen, Cerberus und Threesome in Berlin oder Quint in Hamburg. In einer weithin beachteten Ausstellung "landeten" 2014 sieben bis zu 7 m hohe Implosionen des Künstlers auf dem begrünten Mittelstreifen der Park Avenue, New York City: Moments in a Stream.

[Foto: © 11/2011 tew. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Foto wurde für die Zeitschrift ID Magazin für Raumgestaltung und Raumkunst (Januar 2012, S. 8) ausgewählt.]