Ulrich Rückriem - Arbeiten im öffentlichen Raum

Granit, gespalten (1988)

Österreichischer Granit, 500 x 100 x 100 cm, ein Teil ist in den Boden eingelassen. Standort: Amtsgericht, August-Klotz-Straße 14, Düren. Auftrag der Stadt Düren im Jahr 1988, 50 Jahre nach der Reichspogromnacht und der Errichtung des Gebäudes des Amtsgerichts 1938.

Bei den 10 Stelen, die in den Jahren 1988 bis 1990 von Rückriem geschaffen und über das Stadtgebiet von Düren verteilt aufgestellt wurden, handelt es sich um ein in Konzept und Ausführung einzigartiges Mahnmal. Jede Stele steht an einem Ort, der für die NS-Geschichte der Stadt von Bedeutung ist. In ihren Maßen sehr ähnlich, gestaltete Rückriem die Stelen in der Art ihrer Teilung unterschiedlich. In seiner Dezentralität macht das Mahnmal deutlich, dass die Reichskristallnacht am 9./10. November 1938, in der die Synagoge von Düren zerstört, Juden grundlos verhaftet und ihre Geschäfte geplündert und verwüstet wurden, kein singuläres Ereignis war. Die Nationalsozialisten hatten schon 1933 den amtierenden Oberbürgermeister Ernst Overhues aus dem Amt gedrängt, Straßen und Plätze in Düren nach Parteigrößen benannten und zum Boykott jüdischer Geschäfte aufgefordert. Namhafte Dürener Industrielle engagierten sich für den Nationalsozialismus, ein bekanntes Dürener Unternehmen stellte der SA auf seinem Gelände schon 1932 einen Versammlungsraum zur Verfügung. Dass die eine oder andere Schule "fest in der Hand der Hitler-Jugend" sei, war damals eine Pressemitteilung wert und wurde mit der feierlichen Hissung der HJ-Flagge auf dem Schulgelände "belohnt". Die Stele vor dem Amtsgericht erinnert daran, dass die Gerichtsbarkeit als »Teil des terroristischen Unterdrückungsapparates [...] nahezu reibungslos funktionierte« und so »auf lange Zeit den Glauben an die Geltung von Menschen- und Verfassungsrechten bis in seine Grundfesten erschütterte.« [Dürener Geschichtswerkstatt] Ein weiterer Standort, die Gerstenmühle, diente als Sammellager für die Deportation der Menschen jüdischen Glaubens in die Konzentrationslager Buchenwald, Sachsenhausen und Dachau und später in die Vernichtungslager Polens sowie nach Theresienstadt.

Das Mahnmal gedenkt insofern nicht nur der Opfer von Willkür und Rassismus während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, es gibt auch eine Idee von der "strukturellen Gewalt" in der Fläche, die das System stützte und seine Wirkung potenzierte. Die Stelen »bilden in ihrer Gesamtheit (...) eine eindrucksvolle Kette von „Steinen des Anstoßes“« [Dürener Geschichtswerkstatt]

»Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf.«
[Achim Jäger]

Seit 1992 finden an den zehn Stelen alljährlich am Jahrestag der Reichspogromnacht um 19:oo Uhr Mahnwachen und Gedenkveranstaltungen statt. Düren war am 16. November 1944 völlig zerstört worden, nur dreizehn von den 6431 Häusern blieben von den 2751 Tonnen Bomben unversehrt, 3128 Menschen starben.

Rückriem ist der Stadt Düren in besonderer Weise verbunden. Hier machte er in den Jahren 1957 bis 1959 eine Steinmetzlehre, im Leopold-Hoesch-Museum hatte er 1964 seine erste Einzelausstellung mit Skulpturen in Stein und Holz.

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[Foto: 11/2006 papa1234, Wikimedia Commons. Lizenz: public domain]