Stelen und Zeichen

Bruce Beasley (*1939 Los Angeles, lebt und arbeitet
in Oakland / Kalifornien): Spokesman II (1994)

Bronze, geschweißt, 366 x 74 cm.
Standort: Gotisches Haus, Bad Homburg (etwa seit 2017). Exponat der Ausstellung Blickachsen 2 (1999), danach war sie viele Jahre auf dem Ferdinandsplatz in Bad Homburg [s. Foto] aufgestellt.

Bekrönt wird der "Sprecher" von einem großen Kopfteil, dessen sich nach oben verjüngende Form an eine Stele oder einen Obelisken erinnert. Durch das Kopfteil kommt der Skulptur Aufmerksamkeit zu. Es verleiht ihr einen Ausdruck von Stabilität und Würde. Die tragende Komposition darunter besteht aus stereometrischen Formen - Würfeln, Quadern, Pyramidenstümpfen -, die miteinander verwachsen scheinen und sich mühelos gegenseitig durchdringen. Dieser untere Teil wurde als "labil wirkend" beschrieben, als schiene er "im Begriff zu sein (...) zusammenzubrechen" [Blickachsen 2]. Das Konglomerat an Formen erscheint in der Tat beweglich; die beiden Zusammenballungen von Kuben lassen sich allerdings auch als Gelenke begreifen. Dies würde der Erfahrung entsprechen, dass im Leben Beweglichkeit und Anstrengung notwendig sind, um die Balance zu erhalten.

»Ich möchte Begriffe übermitteln wie Einsamkeit oder Fliegen oder Freiheit. Um Freiheit oder Fliegen auszudrücken, kann ich einen Vogel oder ein Flugzeug auf seinem anmutigen Flug am freien Himmel darstellen. Wenn ich das tue, habe ich für den Betrachter entschieden, was Fliegen und Freiheit bedeuten. Ich habe damit viele andere gefühlsmäßige und assoziative Möglichkeiten ausgeschlossen. So kann zum Beispiel ein Fluzeug für jemanden anderen nicht für Flug stehen, sondern für Krieg und Tod. Und was ist, wenn ich mich mit Flug der Gefühle beschäftigen will oder mit der Frage, was Fliegen eigentlich ist? Bei vielen Gefühlen und Fragen ist der Realismus einfach im Weg. Es ist viel interessanter und herausfordernder, zu versuchen, jemandem ein Gefühl zu entlocken, ohne ein erkennbares Objekt vorzustellen. Ich bin dadurch gezwungen, mein Gespür für das Wesentliche und das Innere einer Emotion zu schärfen, wenn es mir gelingen soll, Gefühl nur durch Form hervorzurufen.«
[Bruce Beasley, 1993]

»Die wichtigsten Quellen für mich sind das, was ich die elementaren Bausteine der Natur nenne. Man neigt dazu, sich unter natürlichen Formen Baumrinde, Wogen, Tier- oder Menschenkörper vorzustellen. Viel grundlegendere Formen der Natur sind jedoch kristalline Strukturen, molekulare Bausteine und Gerüste. Ich interessiere mich sehr für die Art und Weise, wie die Natur Dinge auf einfachste Formen zurückführt und wie sie zusammenfügt.«
[Bruce Beasley (Hrsg.): An Exhibition of Bronze Sculpture. Ausstellungskatalog, 1990/91, S. 5]

Beasley ist einer der produktivsten und innovativsten Bildhauer der amerikanischen Westküste. Bereits 1961 konnte er eine Arbeit aus geschweißten Gusseisenelementen in der Ausstellung The Art of Assemblage im Museum of Modern Art, New York City, zeigen. Im Jahr darauf wurde sie angekauft. Beasley ist vertreten in Sammlungen wie dem Guggenheim Museum, New York City, dem Los Angeles County Museum of Art, dem San Francisco Museum of Modern Art, dem Musee National d'Art Moderne - Centre Georges Pompidou, Paris, der Kunsthalle Mannheim, dem National Art Museum of China, Peking, oder dem Islamischen Museum, Kairo. Beasley studierte zunächst am Dartmouth College in Hanover / New Hampshire (1957–1959) anschließend an der Universität von Kalifornien in Berkeley (1959-62), die an der Westküste für ihren Schwerpunkt auf Bildhauerei bekannt war und zu diesem Zeitpunkt geprägt vom Abstrakten Expressionismus. Noch während seines Studiums dort baute er, zusammen mit Peter Voulkos, eine Gießerei speziell für Bildhauerei auf (die "Garbanzo Works"), die eine Renaissance des Bronzegusses in der amerikanischen Bildhauerei bewirkte. An die ersten expressiven Formfindungen zumeist aus Eisenschrott-Teilen schlossen sich in den 1960er Jahren gestisch-abstrakte Figuren aus Bronze- bzw. insbesondere Aluminiumguss an, denen oft Bewegung oder etwas Tänzerisches einbeschrieben ist. Mit seinem Aluminiumguss Icarus - wie in den Raum gezeichnet - vertrat er 1963 (als einer von elf Künstlern) die Vereinigten Staaten auf der Biennale von Paris; das Kunstwerk wurde vom französischen Kulturminister angekauft. Zwischen 1968 und 1986 entstanden dann faszinierende Skulpturen aus Acrylguss, deren Wirkung auf der Transparenz des Materials und seiner Lichtwirkung basiert, während sie von der Form her an die monumentalen Eisenskulpturen eines Eduardo Chillida erinnern. In den 1970er Jahren dominieren "Steine" aus Acrylguss - Diamanten nicht unähnlich, das Gussverfahren hierfür hatte er selbst entwickeln müssen. Später beginnen die Formen zu fließen, die harten Kanten aber bleiben. Die 1980er Jahre sind geprägt von gestisch-abstrakten Wesen aus Edelstahl oder Holz, irgendwo zwischen Vögeln und Star-Wars-Kampfflugzeugen, die, für den Außenraum hin entworfen, bis zu 9 m hoch sein können bei bis zu 10 m "Flügelspannweite". Die Kunsthalle Mannheim widmete Beasley 1994 eine große Einzelausstellung (Katalog: Bruce Beasley - Skulpturen. Städtische Kunsthalle Mannheim, 2.7. - 18.9.1994, Yorkshire Sculpture Park, Spring 1995, deutsch/englisch, Städtische Kunsthalle, Mannheim, 1994, mit Texten von Manfred Fath und Peter Selz).

[Foto: © 6/2003 tew. Alle Rechte vorbehalten]