max bill - werke im öffentlichen raum

tore in flensburg (1993/94)

granit. bill realisierte mit diesem kunst-am-bau-projekt sein letztes monumentales werk. standort: agentur für arbeit flensburg (ehemals arbeitsamt), waldstr. 2 ecke duburger straße, flensburg. an dieser stelle befand sich bis 1991 der exerzierplatz der duburg-kaserne, den die öffentlichkeit als park nutzte. um diese nutzung ein stück weit zu erhalten, wurden die gebäudeflügel des arbeitsamtes zurückgenommen und von der straße weg an die grundstücksränder gerückt. zur straßenkreuzung hin bleibt so ein grünbereich. er ist von der straße her über drei wege zugänglich. diese drei zugänge markiert bill mit je einem tor. die drei tore gleichen sich in form, material und abmessungen. in ihrer einheit als dreiheit schaffen sie eine gedankliche umfriedung des geländes (einen zaun gibt es nicht). im vergleich zu den begehbaren architektonischen skulpturen, die bill in zürich, berlin oder münchen realisierte, handelt es sich bei den flensburger toren um äußerst einfach gebaute skulpturen. jedes tor besteht aus 6 gleichen granitquadern. an ihren berührungspunkten sind sie nicht in einander eingelassen (um für stabilität zu sorgen), sie wurden lediglich verzapft. dadurch tragen sie ihre konstruktionsweise offen zur schau. bills verständnis von kunst als «reinem ausdruck von harmonischem mass und gesetz» wird hier besonders augenscheinlich: so wird sich der besucher fragen, weshalb bill ein tor schuf, aber das tor oben offen ließ. die antwort gibt der aufriss: da alle 6 granitquader dieselben abmessungen haben, sollte auch die breite des tordurchlasses exakt ebenso groß sein, wie die quader jeweils lang sind. dadurch wird zudem bedingt, dass das "fehlende stück" oben exakt die form eines würfels hat, d.h. dieser "würfel aus luft" ist ebenso lang wie breit wie hoch.

»Als minimalistische, sich jeder künstlerischen Expressivität enthaltende konkrete Statements erzielen die Tore einen ästhetischen Ausdruck, dessen Einfachheit und Autonomie im Gesamtkontext von Stadtraum, Grünbereich und Architektur klärend und befreiend wirken und auch Zeichen eines demokratischen Kunstverständnisses sind. Die in der Kunst-am-Bau-Geschichte gelegentlich recht beliebte Ikonographie der Tore lässt sich auch symbolisch lesen. Passend zur Institution des Arbeitsamtes markieren die Tore Schwellen- und Übergangssituationen, ohne diese Symbolik auszureizen und zu Lasten der künstlerischen Aussage zu vereindeutigen.«
[kurzdokumentation von 200 kunst-am-bau-werken im auftrag des bundes von 1980 bis 2010, teil II, katalog. bbsr-online-publikation nr. 13/2014, bundesinstitut für bau-, stadt- und raumforschung (bbsr), bonn, 2014, S. 273-5]

folgt man der interpretation des tores als symbol für eine übergangssituation, mag man in dem oben beschriebenen geistig-immateriellen "würfel aus luft" vielleicht die wünsche und ziele, die einen in dieser situation leiten, zum Ausdruck gebracht sehen. der offenen gestaltung der tore entspricht die offenheit der situation.

mehr: max bill: tor, kunst @ sh – kunst in schleswig-holstein

[foto: mit freundlicher erlaubnis © 11/2016 jan petersen / kunst @ sh.
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