Die Welt des Erich Hauser

*15. Dezember 1930 Rietheim  †28. März 2004 Rottweil



Hausers Leben: grenzenloses Selbstvertrauen,
grandioser Ehrgeiz, Zähigkeit & Schaffenskraft


Erich Hauser (um 2000)
[Foto: Wikipedia]

1945-48 absolviert Hauser eine Lehre als Stahlgraveur in Tuttlingen, gleichzeitig nahm er Unterricht im Zeichnen und Modellieren bei Pater Ansgar im Kloster Beuron. Anschließend sammelte er über zwei Jahre hinweg Berufserfahrung in einer Gravieranstalt in Stuttgart und belegte gleichzeitig Abendkurse in Zeichnen, Modellieren und der Bildhauerei, u.a. an der Freien Kunstschule Stuttgart. 1952 kam Hauser, 22-jährig, nach Schramberg, wo er mit den verschiedensten Materialien experimentierte, so etwa Stein, Beton, Holz und Metall. Selbstbewusst hängte er ein Schild an seine Werkstatt 'Erich Hauser - Bildhauer'. Zusammen mit dem Kunstmaler Hermann Anselment eröffnete er eine private Kunstschule und bot Kurse für Zeichnen und Malerei, für Bildhauerei und Metallarbeiten an, die für den Lebensunterhalt sorgen mussten. Mit Künstlerkollegen organisierte er Ausstellungen in dieser Stadt tief im Schwarzwald.

1959 siedelte er über zunächst nach Dunningen (Kreis Rottweil), 1970 dann auf das Gelände der ehemaligen Saline, Rottweil. Auf dem 40.000 m2 großen Gelände hat Hauser so manche Plastik früherer Schaffensperioden, die dem eigenen Urteil nicht mehr stand hielt, mit dem Bagger planiert und vergraben.

Der Kunstpreis 'Junger Westen' (1963) wirkte wie ein Katalysator: eine rege Reise- und Ausstellungstätigkeit schloss sich an. 1964-65 war Hauser Gastdozent an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg. Er nahm an der documenta III, 4 und 6 in Kassel teil (1964, 1968 bzw. 1977). 1969 wurde Hauser der »Premio Itamaraty«, der Großen Preis der Biennale von São Paulo, zuteil - die höchste internationale Auszeichnung, die ein bildender Künstler damals erringen konnte. 1970 mitbegründete Hauser das 'Forum Kunst' in der historischen Reichsstadt Rottweil, das durch die spektakuläre Aktion 'Fahnen für Rottweil' 1974 überregional bekannt wurde. Zahlreiche Künstler gestalteten ganz unterschiedliche Fahnen, die zu diesem Fest die Häuserzeilen der Altstadt schmückten und die Menschen in Rottweil so an die moderne Kunst heranführten. Zahlreiche weitere Aktionen und Ausstellungen folgten, nicht zuletzt setzte der Kunstverein die Bürger von Rottweil immer wieder mit Skulpturen entlang der heutigen Skulpturenmeile (Königstraße) in Aufregung. Nicht selten gelangten die Arbeiten dabei auf Betreiben Hausers nach Rottweil, der sie z.B. von der documenta in Kassel kostengünstig "mitbrachte". Sein Anwesen auf der Saline avancierte, insbesondere im Anschluss an Vernissagen, zu einem beliebten Künstlertreffpunkt. Zu erwähnen ist überdies Hausers Engagement im Vorstand des Deuschen Künstlerbunds oder im Gremium für die Auswahl der Stipendiaten der Villa Romana in Florenz.

1984 wurde Hauser zum Gastprofessur an der Hochschule für Bildende Künste, Berlin, berufen. Dass die Studenten dort erst mittags aufschlugen und sich erst einmal einen Kaffee gönnten, störte ihn, der zeitlebens um 6.00 Uhr aufstand, ebenso wie ihre Weigerung, abends die Werkstatt durchzufegen. Unter dem Eindruck, dass sein eigenes Werk zu kurz käme, beendete Hauser das Gastspiel 1985 wieder. In einem Alter, in dem andere schon an den Ruhestand denken, ließ Hauser sich 1990 eine neue Werkhalle errichten, die in Ästhetik und Funktionalität auch manchem mittelständischen Unternehmen gut zu Gesicht stünde.

1996 gründete Hauser die Kunststiftung Erich Hauser mit Sitz auf seinem Anwesen, der ehemaligen Saline Rottweil. Dort sind nun nicht nur Werke aus Hausers eigener, umfangreicher Kunstsammlung, deren Schwerpunkt auf der Malerei des Informel liegt (u.a. Peter Brüning, Rupprecht Geiger, Gerhard Hoehme, Arnulf Rainer, Emil Schumacher, Fred Thieler), zu sehen. Das Gelände beherbergt heute zudem einen großzügigen Skulpturenpark, der insbesondere zahlreiche Arbeiten aus Hausers Spätwerk umfasst.


Hausers Werk: die Grammatik des Stahls

Hausers Werk ist geprägt von einer ungeheuren Schaffenskraft: an die 1000 Stahlarbeiten, sein Werkverzeichnis umfasst drei Bände. Und auch wenn er sich auf das Material Edelstahl kaprizierte - eintönig ist es an keiner Stelle. Tatsächlich gelang es Hauser wie nur wenigen Künstlern, sich immer wieder neu zu erfinden. 'Die Grammatik des Stahls' titelte denn auch Manfred de la Motte 1967 in einem Katalog der Galerie Defet, Nürnberg.


Die informelle Phase

Stahl (1964)

Aus der frühen informellen Phase sind nur wenige Arbeiten erhalten. Es sind Edelstahl'klumpen', die wie Meteoriten, die gerade zur Erde gefallen sind, anmuten. Erkennbar ist jedoch schon hier Hausers Wille, zu einer eigenständigen, neuen Formensprache zu finden. Während sich andere Künstler dieser Zeit um filigrane Raumschichtungen oder um aus einzelnen Drähten zusammengelötete Bewegungsanmutungen bemühen, bleibt Hauser dabei dem massiven Volumen treu.

Später wird Hauser vorgefertigte Stahlbleche verwenden und eine exakte, makellose Material- und Oberflächenverarbeitung, die alle Spuren des Herstellungsprozesses tilgt, zur Perfektion treiben. Auch Hausers Werkstatt übrigens zeugte von schwäbischer Ordnung und Sauberkeit...

"Die heftige Verschrammung der Oberfläche, die schroffen Kanten und Schnitte, die Risse und die konvulsivische Verwerfung der Volumnia - diese elementare Pathografie zeugte von einer urtümlichen Gewalt, die sich jählings ins Innere der Körper verballt zu haben schien."
[Robert Kudielka 1980]


Die geschlitzten Röhren

Raumsäule 7/68

War in den Metallklumpen der informellen Phase die Energie gewissermaßen noch im Inneren der Skulptur gefangen, abzulesen nur an den Ausbeulungen des Materials und in den tiefgehenden Furchen, so war der Übergang zur Säulenform 1967 ein Befreiung. Zwar gibt es auch hier die Werkgruppe der mehr oder weniger kompakt zusammenstehenden, rhythmisch gegliederten Säulenwände. Typisch sind jedoch raumgreifende Skulpturen, die mal zu kippen drohen, mal wie eine Feder Energie abfangen. Mit großem Gestus strahlen Hausers Röhrenskulpturen aber vor allem eines aus: ihr (oder ist es Hausers?) Selbstbewusstsein. Die stereometrische Form der Röhre ist Hauser allerdings als solche zu schlicht: ähnlich den tiefen Furchen der informellen Phase weisen die Röhren schmale Schlitze auf, teilweise werden die Röhren regelrecht aufgefächert. Eine aufstrebende Komponente verweist bereits auf Hausers Spätwerk: so verzweigen die Röhren sich manchmal, nach einem schlanken, säulenförmigen Schaft, erst in mehreren Metern Höhe oder ein oder mehrere Röhren weisen, nachdem sie der Verknotung entwichen sind, himmelwärts. Der ästhetische Ausdruck wird durch Material, Form und Licht gleichermaßen erzielt.


Aufbrechende stereometrische Körper

Relief 9/84

Ab Mitte der 1970er Jahre werden die Formen wieder kompakter. Hauser entdeckt die Kreisform, das Rechteck und das Quadrat für sich. Wunderschöne Arbeiten - häufig reliefartig - entstehen, die vom Gegensatz zwischen der schlichten, Ruhe vermittelnden, stereometrischen Form im Großen und ihrer Zerklüftung im Detail leben. Die Oberfläche der Form - wie geborsten von einer ungestümen Energie im Inneren - vermag durch ihre eleganten, anmutig gewölbten Flächenelemente eben diese im Inneren verborgene Energie zu bändigen. So erscheinen diese Arbeiten weniger als ausbalancierte Komposition gleichberechtigter Teile denn als ein Widerstreit zwischen Wachsen und Beschützen, zwischen Ausbrechen und Abschließen. Der makellose, weichpolierte Edelstahl sorgt dabei für ein brillantes Licht-und-Schatten-Spiel. Sechs derartige Bodenreliefs schuf Hauser 1975 für das Bundeskanzleramt in Bonn.

"[Hauser gelingt es,] in die quasi-kubistische Rhythmik des Formzusammenhangs
plastische Synkopen, die das Moment der Schwerkraft »in Schwang« bringen,
einzubauen." [Robert Kudielka 1980]

"In der negierenden Gebärde bricht sich eine zerreißende Spannung Bahn
als Ausdruck von Leiden, wie es höchst ausdrucksvoll auch manchen
kristallinen Plastiken eingeschrieben ist." [Hans-Dieter Franz 2005]


Das Spätwerk: die 'Igel'

4/96

'Igel' nannte eine Besucherin des Skulpturenparks der Erich-Hauser-Stiftung in Rottweil die Arbeiten aus Hausers letzter Werkgruppe: ob ihrer Stacheln und Spitzen.

Hauser knüpft in seinem Spätwerk an eine Technik aus den frühen 1960er Jahren an und baut die Skulpturen aus dreieckigen Formelementen auf. Dreiecke benützt die Geodäsie schon lange zur Geländevermessung, doch spätestens die moderne Computergrafik macht die (Uni-)Versatilität des Dreiecks augenfällig: die Oberfläche z.B. eines Gesichts oder einer Spielfigur zerlegt sie in unzählige kleine Dreiecke, um Form und Lichschattierungen naturgetreu abzubilden. Hauser gestattete es das Dreieck - in Verbindung mit dem Material Edelstahl -, jeden Formgedanken in eine reale Skulptur übertragen zu können. Der künstlerischen Freiheit waren damit keine Grenzen mehr gesetzt. Die stereometrische Form weicht ab etwa 1986 expressiven Formfindungen.

"Eine faszinierende Spannung aus harmonischer Gestaltung und beherrschender Dynamik."
[G. Westing in [Simon 89]]

Aus der Phase der geschlitzten Röhren übernimmt Hauser den klaren, raumgreifenden Gestus, Keile - Armen gleich - in alle Richtungen ausstreckend. Aus der Phase der aufbrechenden stereometrischen Körper übernimmt Hauser die 'stachelig-kantige Energie'. Die Energie bricht nun jedoch nicht mehr an einer bestimmten Stelle gleichsam aus dem Inneren hervor. Sie manifestiert sich vielmehr in einer Vielzahl kristalliner Facetten und einer verschachtelten Linienführung, die die Form lebendig und schwerelos erscheinen lassen. Die hoch aufragenden Skulpturen wirken dabei regelrecht wie soeben dem Boden erwachsen. Der eine mag sich bei ihrem Anblick an menschliche Gebärden bzw. Körper'stimmungen' erinnert fühlen, ein anderer an sich in die Höhe reckende Murmeltiere, an die wachsam gespitzten Ohren von Meister Lampe oder an den Flügelschlag des Kranichs...

"...vom dunklen, ungestümen Aufbrausen - zur grazilen Eleganz;
von der dynamischen Kraftentfaltung - zum beschwingten, fast tänzerischen Auftreten."
[Robert Kudielka 2004]

Wenn der Stahl bei anderen Künstlern vielleicht mit der gefühlten Kühle des Materials zu kämpfen hat: bei Hauser strahlt der Edelstahl - stolz, energisch, unnachahmlich.



Auszeichnungen und Ehrungen

1958 Förderpreis 'Kunstpreis der Jugend' der Stadt Stuttgart
1963 Kunstpreis 'Junger Westen', Recklinghausen;
'Mention honorifique' auf der 3. Biennale de Paris
1965 Kunstpreis der Stadt Wolfsburg für Plastik
1966 Burdapreis für Plastik
1969 Premio Itamaraty - Großer Preis der X. Biennale in São Paulo
1970 Mitglied der Akademie der Künste Berlin;
1972 Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
1975 Preis für Kleinplastik der Biennale Budapest
1979 Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
1986 Verleihung des Professorentitels durch den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg
1988 1. Preis der Helmut-Kraft-Stiftung, Stuttgart
1995 Oberschwäbischer Kunstpreis;
Ehrenbürger der Stadt Rottweil
2000 Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg;
Kulturpreis der Stadt Rottweil


Einzelausstellungen (Auswahl)

Zu den mit «K» gekennzeichneten Ausstellungen erschien ein Katalog.

1961 Galerie 62, Freiburg i.Br.;
Studio F, Ulm (ebenso: 1972)
1963 Galerie Müller, Stuttgart (ebenso: 1964, 1965K, 1975);
Galerie St. Stephan, Wien;
Galerie Brusberg, Hannover (ebenso: 1969)
1964 Museum der Stadt UlmK
1966 Kubus-Ausstellung der Stadt Hannover (Galerie Brusberg)K;
Kunsthalle MannheimK;
Kunsthalle Wolfsburg
1967 Galerie Defet, NürnbergK (ebenso: 1969)
1970 Württembergischer Kunstverein, StuttgartK
1973 Kunsthalle Kiel
1977 Städtische Galerie Nordhorn
1978 Forum Kunst RottweilK
1981 Germanisches Nationalmuseum NürnbergK
1982 Stadt SingenK
1988 Kunstverein Ludwigsburg sowie in der Fußgängerzone und auf der Bärenwiese, Ludwigsburg
2005 Stiftung für Konkrete Kunst, Roland Phleps, Freiburg;
Erich Hauser - Aufbruch, Schlossmuseum Schramberg
2006 Erich Hauser - Skulpturen, Reliefs, Zeichnungen, Akademie der Künste, BerlinK
2010 IM DIALOG - Erich Hauser zum Achtzigsten, Kunsthalle Weishaupt, Ulm, in Zusammenarbeit mit der Kunststiftung Erich Hauser und dem Ulmer MuseumK


Literaturempfehlung & Links

[KEH] Offizielle Homepage von Erich Hauser und der Kunststiftung
[Simon 89] Gesellschaft für internationale Kunst im öffentlichen Raum / Simon AG (Hrsg.): Erich Hauser - Skulptur. Hannover, 1989 [Mit 19 ganzseitigen Farbfotos, die die virtuose Wirkung der Hauserschen Skulpturen in Parkambiente wie vor Bürofassaden gleichermaßen illustrieren. Mit Fotos aus Hausers Werkstatt und von der Aufstellung des Stahlengels in Hannover]
[Knubben 95] Claudia und Jürgen Knubben (Hrsg.): Erich Hauser - Bildhauer. Forum Kunst Rottweil, Cantz, 1995 [Claudia Knubben zeichnet - sehr lebendig - das bewegte Leben des Künstlers nach. Zudem auf 99 Seiten repräsentative Arbeiten aus 35 Jahren (fast durchgängig in Farbe). 24 Seiten Farbfotos geben einen Einblick in Hauses Gemäldesammlung]
[Breinlinger 05] Gerhard Breinlinger (Hrsg.): Erich Hauser 1930-2004 zum Gedenken. Kunststiftung Erich Hauser, Rottweil, 2005 [Sammlung von Texten, insbesondere von Robert Kudielka]
[Nash 04] Leben im Pyramidenhaus... zu Besuch bei Erich Hauser. ENTREE, 2004.
Beate Nash berichtet über einen Besuch bei Erich Hauser, kurz vor seinem Tod. Mit Fotos aus dem Inneren der Pyramide und vom Skulpturenpark





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