SkulpTour Berlin

Sol LeWitt (*1928 Hartford/USA †2007 New York):
Structure (1994)

Aluminium, weiße Einbrennlackierung, 5 x 5 x 5 m.
Eigentümer: Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen.
Standort: Hallesches Ufer 62

Sol LeWitt war - wie Carl Andre, Walter de Maria, Donald Judd oder Michael Heizer - einer der maßgeblichen Köpfe des amerikanischen Minimalismus und der Konzeptkunst, die nach dem Zweiten Weltkrieg ein grundsätzlich neues Kunstverständnis etablierten. Skulptur als bloßen dreidimensionalen Betrachtungsgegenstand ließen sie weit hinter sich zurück. Wie der Betrachter den Raum wahrnimmt und sich seiner selbst bewusst wird und wie sich Wahrnehmung verändert, wurde das "Thema" dieser Kunst. In direkter und unpersönlicher Art werden auf einfachste geometrische Formen reduzierte Objekte ohne eigenen Gestaltungsanteil bzw. Ausdruck seitens des Künstlers als Idee, als Konzept "in den Raum gestellt". Materialien, die ein Kunstwerk überall auf der Welt gleich aussehen lassen, werden besonders geschätzt. LeWitt selbst begreift seine raster- bzw. gitterartigen Raumstrukturen als an den menschlichen Geist gerichtet. Objekte können vergehen, Ideen bleiben. Während seine Arbeiten im Großen meist die Form eines geometrischen Körpers einnehmen, bestehen sie im Kleinen meist auf gleichförmigen Steinen. In der Berliner Arbeit Structure wird bewusst, dass an die Stelle der "Bausteine" vor allem eines tritt: Leere. Insofern mag man sich bewusst werden, dass die für das Stadtbild typischen großen Bürogebäude, von Außen meist Riegeln und Blöcken (also Quadern) gleich, - hinter ihren gern rasterförmigen Fassaden - ebenfalls im Wesentlichen leer sind. Das Werk lässt viele weitere Assoziationen zu, etwas danach, inwieweit man es als kontemplativ oder, auf der anderen Seite, als schreckliche Gleichmacherei empfindet, und was das über den Zustand des (Stadt-)Menschen aussagt. In ähnlicher Weise lässt die Frage, warum LeWitt Structure nicht als 4 x 4 x 4-Würfel oder als 6 x 6 x 6-Würfel oder als 9 x 9 x 9-Würfel entwarf, gewahr werden, dass die Wirklichkeit nur eine von vielen möglichen ist - und das alles auch ganz anders sein könnte. Die Idee - hinter der konkreten Ausgestaltung des Würfels - ist ein Koordinatensystem, eine sich entlang der drei Koordinatenachsen ins Unendliche ausdehnende Struktur. Ein solches Bezugssystem trägt jeder von uns in sich - zur Orientierung in der Welt in geografischer Hinsicht, aber im übertragenen Sinn auch in sozialer oder gesellschaftlicher Hinsicht. Dieses innere Koordinatensystem, als individuelle Manifestation des abstrakten Prinzips, fällt allerdings bei Menschen sehr unterschiedlich aus (man frage nur einmal verschiedene Menschen nach dem Weg). In diesem Sinne lässt sich Structure auch als Befragung der Subjektivität der scheinbar so objektiven Wirklichkeit lesen. Die bewusstgewordene Diskrepanz zwischen der Perfektion solcher "Systeme" einerseits und der Fehlbarkeit des Menschen andererseits könnte ein Auslöser sein, wenn ein Betrachter dieses Objekt spontan ablehnt.

LeWitt war vierfacher documenta-Teilnehmer. Er vermied Interviews und mochte keine Portraitfotos von sich in der Zeitung sehen. Er verweigerte sich Kunstpreisen. Das Museum of Modern Art, New York City, widmete ihm 1978 eine Retrospektive. Die Retrospektive Sol LeWitt: Structures 1962-1993 des Museum of Modern Art Oxford wanderte weiter zum Neuen Museum Weserburg, Bremen, sowie in die Villa Stuck, München. 2000 zeigte eine Wanderausstellung des San Francisco Museum of Modern Art sein Werk mit Stationen im Whitney Museum of American Art, New York, und dem Museum of Contemporary Art, Chicago. Weitere Arbeiten von LeWitt befinden sich im öffentlichen Raum von Bremen, Frankfurt am Main, Hamburg, Uster / Schweiz oder auch im Skulpturengarten der Fundación Montenmedio Arte Contemporáneo (NMAC) in der südspanischen Provinz Cádiz.

[Foto: © 2008 tew]